hier wartet jeder für sich
unser bus fährt
seit tagen nicht mehr
doch wir bleiben uns fremd
nur morgens
lächeln wir und
werden freunde auf zeit
wenn der jüngste die brötchen bringt
©Joerg Schaffelhofer, Lyrik und Prosa
hier wartet jeder für sich
unser bus fährt
seit tagen nicht mehr
doch wir bleiben uns fremd
nur morgens
lächeln wir und
werden freunde auf zeit
wenn der jüngste die brötchen bringt
Sie schaut herüber zu mir und lächelt. Streicht ihr schulterlanges Haar zurück. Ich weiß, dass ich mir nur etwas einbilde. Wahrscheinlich steht jemand hinter mir, auf den sich ihr Blick richtet. Hat jeder schon mal erlebt, diesen peinlichen Moment der Verwechslung. Doch ich schaue mich nicht um, will gar nicht wissen, wer es ist.
Ich kenne sie nicht, habe sie hier noch nie gesehen. Kann aber meinen Blick nicht von ihr lassen, denn da ist was.
Dann kommt, was ich erwartet habe. Sie steht auf, geht auf mich zu. Ich schaue weg, weiß, dass sie an mir vorbeigehen wird, um den Typen hinter mir zu begrüßen, vielleicht zu umarmen oder zu küssen. Steht er denn immer noch da?
„Stefan?“, fragt sie und bleibt an meinem Tisch stehen.
„Hanna?“ Nach vierzig Jahren.
Später, weit nach Mitternacht in der uralten Kneipe, gestehe ich ihr, wie verliebt ich damals war, wie viele Nächte ich nicht schlafen konnte, weil sie nie Notiz von mir genommen, nie mit mir gesprochen hat.
„Du hattest nur Augen für die anderen!“, lalle ich, als wir die Bar verlassen und sie sich bei mir unterhakt. Sie lacht. Und ihr Lachen hallt durch die dunkle Gasse.
„Hätte ich dich dann heute Abend wiedererkannt?“
Sie verspricht mir einen doppelten Espresso, bei ihr zuhause. Das hört sich gut an, immerhin gibt es noch so viel zu reden.
seit dreißig jahren
pflegt sie alte menschen
die so glücklich sind
wenn Saya ein paar minuten
von ihrer familie erzählt
dann träumt auch sie
mal wieder
von den philippinen
jemand mit schirm
an der straßenecke steht sie
im milchigen laternenlicht
ich erinnere mich
nachts sehe ich dich
an unserem nordseestrand
aus dem wasser winken
foto schwarz weiß
tisch brille offenes buch
und du fehlst schon
paris paris
metrofahren ist sowas
wie beamen
frühe metro
blasse gesichter zeichnen spuren
in den neuen tag
jemand
ließ ihn liegen
diesen einkaufszettel
kartoffeln, karotten, zwiebeln
schieres rindfleisch
und rückseitig
bye bye
der neben mir im bus
daddelt ohne pause in sein handy
dass er sie liebt und
sie vermisst
wie es ihr denn ginge
jetzt so allein
ganz ohne ihn
all so was eben
dann hält er still
stationenlang der blick
immer wieder auf sein handy
fast tut er mir schon leid
dann kommt meine haltestelle
gern hätte ich gewusst
wie es mit ihnen weitergeht
immerhin war ich ja irgendwie dabei
doch wie geht so was schon weiter
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