©Joerg Schaffelhofer, Lyrik und Prosa

Monat: April 2024 (Seite 1 von 2)

sonntagsblues

grässliche sonnenstrahlen
er hat heute nacht wieder vergessen
die vorhänge zuzuziehen

die betäubung lässt nach
was bleibt
ist kopfschmerz

und das ungeheuer
namens montag
das schon auf ihn lauert

gestern nacht
ist ihm die flucht also
wieder nicht gelungen

das geht immer so weiter
das weiß er

immer so weiter

Einsetzender Schneefall

Als der Wecker klingelt und er sich allmählich aus dem Bett schält, ist es wie jeden Morgen. Er wäscht sich, putzt die Zähne, kleidet sich wie immer. Dann stellt er den Wasserkocher auf, toastet eine Scheibe Weißbrot, bestreicht sie mit Marmelade und übergießt mit dem kochenden Wasser seinen Instantkaffee. Das Radio bringt schlechte Nachrichten aus der Ukraine, in der Frankfurter Innenstadt gab es eine Gasexplosion in einem Mehrfamilienhaus und die Eintracht hat gestern Abend ein angeblich wichtiges Spiel verloren. Er hasst den November, zieht sich Winterjacke, Mütze und Schal an, denn der Wetterbericht hat den ersten Schneefall vorausgesagt.

Ihm ist, als wäre es heute Morgen dunkler als sonst. Weshalb, fragt er sich, das bilde ich mir ein. Auf dem Weg zur Bushaltestelle vermisst er seinen Nachbarn, der normalerweise ebenfalls um diese Zeit mit dem Bus fährt. Vielleicht ist er krank oder hat Urlaub. Außer Guten Morgen wechseln sie nie viele Worte, da weiß man wenig voneinander.

An der Haltestelle steht er ganz allein, dabei warten hier sonst immer ein Dutzend Menschen, die zur Arbeit wollen. Einen Moment denkt er darüber nach, ob Wochenende ist, doch das ist Quatsch, denn heute hat er einen wichtigen Termin mit seinem Chef. In Gedanken geht er das Projekt, das sie besprechen wollen, noch einmal durch.

Der Bus hat Verspätung. Er vergleicht die Zeit seiner Armbanduhr mit der seines Handys: Sie stimmt. Es beginnt zu schneien, er stellt sich unter das Dach des Wartehäuschens, allein hat er heute genügend Platz.

Wie er dasteht, auf den Bus wartet und immer wieder zur Uhr schaut, fällt ihm auf, dass die Haltestelle gegenüber ebenfalls leer ist. Er sieht keine Autos fahren und bemerkt erst jetzt, wie still es um ihn herum ist. Kein Mensch ist auf der Straße, es ist totenstill und das Einzige, was sich bewegt, sind die fallenden Schneeflocken. Die Straße wird immer weißer, die Zeit vergeht, der Bus hat jetzt zwanzig Minuten Verspätung.

So allein dazustehen, in dieser Stille, macht íhn immer nervöser. Er nimmt sein Handy aus der Tasche, wählt die Nummer seines Chefs, um mitzuteilen, dass er sich verspätet. Der Rufton beruhigt ihn, aber es meldet sich niemand.

Seine Füße frieren, er tritt auf der Stelle, als ob er nervös wäre. Was ist das, meint er, ich warte auf den Bus, der nicht kommt, und rufe meinen Chef an, der sich nicht meldet. Und dazu kein Mensch in der Nähe, kein Auto und kein Bus.

Er beschließt, nicht länger zu warten. Bis in seine Firma kann er nicht laufen, das ist zu weit und er müsste durch den Schnee waten mit seinen dünnen Halbschuhen. Er hätte sich dickere Schuhe anziehen sollen. Also wird er zurück nach Hause gehen und von dort noch einmal versuchen, seinen Chef anzurufen. Ausgerechnet heute ist der Termin!

Der Schneefall wird immer stärker. Er geht los, doch mit jedem Schritt sinkt er tiefer ein mit seinen dünnen Schuhen, der Schnee tanzt um ihn herum. Er läuft, die Füße nass und kalt, aber er spürt sie immer weniger. Soll er zurück zur Haltestelle, sich dort unterstellen und warten, bis der Schneefall aufhört?

Er schaut sich um: Außer dem Schnee in der Luft und um ihn herum kann er nichts mehr erkennen.

Wohin soll ich gehen? Wo bin ich? Er geht weiter und hofft, den richtigen Weg zu nehmen. Zweimal oder dreimal meint er, sein Handy klingeln zu hören. Er schaut aufs Display: Das Handy ist aus, sicherlich ist der Akku leer.

Er geht, stapft durch den Schnee, stürzt und läuft auf allen vieren weiter. Wo bin ich? Irgendwo zwischen Haltestelle und zuhause hoffentlich! Und er wird müde, immer müder, spürt seine Füße und Hände nicht mehr. Wo bin ich, möchte er schreien, aber er flüstert es nur. Und dann meint er, den Bus zu hören, gar nicht so weit weg. Vielleicht an der Haltestelle.

Als der Wecker klingelt und er sich allmählich aus dem Bett schält, ist es wie jeden Morgen. Und der Wetterbericht kündigt den ersten Schnee an.

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