morgengrauen
mein traum trägt alle bilder
mit sich fort
Monat: Oktober 2024 (Seite 1 von 2)
Was bleibt denn?
Ein Schlüssel auf der Kommode im Flur. Reichlich Platz an der Garderobe, viel Stille.
Aus dem Küchenschrank kommt immer noch der Duft exotischer Gewürze. Auf dem Wohnzimmertisch liegt der dicke Wälzer, den du gelesen und von dem du mir oft bis zum Morgengrauen erzählt hast. Vermutlich bist du fertig damit, denn das bunte Lesezeichen steckt nicht mehr.
Deine Toilettenartikel hast du sämtlich entsorgt.
Eigentlich bleibt nur dieses eine Foto, das neben dem Fernseher steht. Wir lachen in die Kamera War das mal und wo? Vielleicht auf Kreta.
Ich kann das alles nicht glauben. Morgen werde ich endlich deinen Wälzer und das Foto entfernen.
Dann bleibt nichts mehr. Vielleicht ab und zu ein langes, dunkles Haar von dir. In irgendeiner Ecke
stille jetzt und
die welt tickt woanders
ich bin noch hier
am fujisan vorbei
fliegt der shinkansen
ungeheuerlich
in unserem biergarten
ist es laut wie immer
doch annas hand liegt
länger als sonst auf meiner
der wein ist schwerer
von irgendwo musik
ganz sicher dvorak und
in annas augen
lese ich heute das
was ich nie verstand
alles
an unserem letzten sommerabend
Daisy kenne ich seit Jahren, übrigens auch ihren richtigen Namen.
Wir sind uns damals kurz vor Mitternacht am Tresen von Charlie´s Bar begegnet. Sie nippte an ihrem Mojito, ich setzte mich neben sie und bestellte einen Negroni. Wenig später orderten wir beide noch einmal das Gleiche, dann hat sie mir erzählt, dass sie anschaffen geht. Es also beruflich täglich mit mehreren Männern treibt, wie sie es ausdrückte.
Mich hat das nicht abgeschreckt. Im Gegenteil, wir haben gemeinsam in jener Nacht noch etliche Bars aufgesucht, was wir auch heute noch gerne tun.
Oder wir treffen uns zum Frühstück in diesem kleinen Café hier gleich um die Ecke. Abends, wenn sie nicht arbeiten muss, gehe ich gern zu ihr oder sie kommt zu uns.
Hätte ich damals in Charlie´s Bar gar nicht gedacht, meinte sie letztens, dass du so cool bist als Mutter von zwei Töchtern!
die leisen schritte
irgendwann erkenne ich
es sind meine
Als ich nach 50 Jahren heimkomme, ist nichts mehr Heimat. Ein paar Gebäude erinnern mich, die Menschen nicht.
Doch dann finde ich unsere alte Kneipe. Stratos heißt sie jetzt, nicht mehr Nepomuk. Dasselbe Gebäude, in die Jahre gekommen, genauso der Eingang. Ich gehe rein, hier ist nur noch Stratos. Es gibt Bier, aber viel zu viele Sorten. Zu Stratos-Musik. Also bestelle ich Cola Rum und ignoriere den verwunderten Blick des Wirts.
Doch dann irgendwann unsere Musik. Klammerblues. Und da kommt eine und meint, dass sie mich kennt. Ich trinke Cola Rum und Cola Rum. Und die, die mich kennt, tanzt und tanzt und tanzt. Ohne mich, aber sie schaut immer wieder rüber zu mir und sie lächelt. Wie damals.
Am nächsten Vormittag, bevor mein Zug fährt, schaue ich noch einmal auf dem Friedhof vorbei. Und finde mein Grab.
Ich bin erleichtert.
am morgen nebulöses
erinnern an blicke
von der theke und mehr
kein name dazu
kein gesicht
und jetzt
ein anruf von
unbekannt
hinausschauen
auf das stille meer
dorthin
wo es vielleicht
endet
meine hand
sucht nach deiner