
paris paris
metrofahren ist sowas
wie beamen
©Joerg Schaffelhofer, Lyrik und Prosa
paris paris
metrofahren ist sowas
wie beamen
frühe metro
blasse gesichter zeichnen spuren
in den neuen tag
jemand
ließ ihn liegen
diesen einkaufszettel
kartoffeln, karotten, zwiebeln
schieres rindfleisch
und rückseitig
bye bye
der neben mir im bus
daddelt ohne pause in sein handy
dass er sie liebt und
sie vermisst
wie es ihr denn ginge
jetzt so allein
ganz ohne ihn
all so was eben
dann hält er still
stationenlang der blick
immer wieder auf sein handy
fast tut er mir schon leid
dann kommt meine haltestelle
gern hätte ich gewusst
wie es mit ihnen weitergeht
immerhin war ich ja irgendwie dabei
doch wie geht so was schon weiter
Weihnachten 1965. Als endlich das Glöckchen klingelt und er ins Wohnzimmer darf, steht da diese Fallerbahn: mit Brücken und Bächen und die Kreuzung in der Mitte mit einer richtigen Ampel, die regelmäßig von Rot auf Grün wechselt. Und zwei Autos, ein dunkelgrüner VW-Käfer und ein weißer Krankenwagen-Bulli drehen ihre Runden.
Vater zeigt ihm, wie man mit der Fernbedienung die Autos steuert, sie an der Ampel stoppt und bei Grün wieder anfahren lässt. Und dann, es ist ja schon dunkel, sagt er lächelnd: „Und jetzt pass mal gut auf!“ Drückt einen Schalter neben der Bahn und in all den Häusern um die Fallerstraße herum geht das Licht an. Leben in der Stadt!
Und der Junge fährt den Käfer und den Bulli, wartet an der Ampel brav auf Grün, schaltet in den Häusern das Licht an und aus, wechselt zwischen Tag und Nacht.
Dann schaut er zu den Eltern. Mutter lächelt und er fühlt, es ist ein wunderschönes Weihnachten.
Vater hat wieder ein Glas Wein in der Hand, er ist müde. Irgendwie schaut er über die Fallerbahn hinweg oder durch sie hindurch. Der Junge sagt leise „Vater“. Vielleicht will er ja auch noch mal die Autos fahren lassen.
Seine Mutter lächelt ihm zu. Er lässt die Fernbedienung los, die Autos stehen und legt sich in Mutters Arme. Von da aus beobachtet er, wie die Ampel immer wieder von rot auf grün wechselt und zurück. Und er hört Mutters Du weißt doch.
So sitzt er da, an Weihnachten 2023. Seine Mutter hat er vor ein paar Minuten angerufen, doch er ist sich nicht sicher, ob sie ihn am Telefon erkannt hat. Im neuen Jahr wird er wieder mal nach Hause fahren.
Die Flasche Rotwein ist mittlerweile leer. Und am Ende ist er froh wie jedes Jahr, nicht geheiratet zu haben.
nachts
an den schaufenstern
entlang
all die puppenblicke
dieses dunkel
das du hinterlassen hast
immer war es niemandsland
warum
und was wäre
ans licht gekommen
was hätten
wir verstanden
von dir und deiner zeit
gern hätten wir’s gewusst
viel zu früh hast du es
für immer mitgenommen
ein schuh liegt da
nicht weit von der straße
im abseits
ist das alles
deine frage steht im raum
und ich daneben
jeden abend sitzt er
mit einem glas roten
an seinem lieblingsplatz
genießt die gitarrenmusik
die sanft von einer
weiblichen stimme begleitet wird
meeresrauschen
und jeder schluck wein bringt ihn
dem traum von diesem
verdammt ewigen leben näher
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