in unserem biergarten
ist es laut wie immer
doch annas hand liegt
länger als sonst auf meiner
der wein ist schwerer
von irgendwo musik
ganz sicher dvorak und
in annas augen
lese ich heute das
was ich nie verstand
alles
an unserem letzten sommerabend
©Joerg Schaffelhofer, Lyrik und Prosa
in unserem biergarten
ist es laut wie immer
doch annas hand liegt
länger als sonst auf meiner
der wein ist schwerer
von irgendwo musik
ganz sicher dvorak und
in annas augen
lese ich heute das
was ich nie verstand
alles
an unserem letzten sommerabend
Daisy kenne ich seit Jahren, übrigens auch ihren richtigen Namen.
Wir sind uns damals kurz vor Mitternacht am Tresen von Charlie´s Bar begegnet. Sie nippte an ihrem Mojito, ich setzte mich neben sie und bestellte einen Negroni. Wenig später orderten wir beide noch einmal das Gleiche, dann hat sie mir erzählt, dass sie anschaffen geht. Es also beruflich täglich mit mehreren Männern treibt, wie sie es ausdrückte.
Mich hat das nicht abgeschreckt. Im Gegenteil, wir haben gemeinsam in jener Nacht noch etliche Bars aufgesucht, was wir auch heute noch gerne tun.
Oder wir treffen uns zum Frühstück in diesem kleinen Café hier gleich um die Ecke. Abends, wenn sie nicht arbeiten muss, gehe ich gern zu ihr oder sie kommt zu uns.
Hätte ich damals in Charlie´s Bar gar nicht gedacht, meinte sie letztens, dass du so cool bist als Mutter von zwei Töchtern!
die leisen schritte
irgendwann erkenne ich
es sind meine
Als ich nach 50 Jahren heimkomme, ist nichts mehr Heimat. Ein paar Gebäude erinnern mich, die Menschen nicht.
Doch dann finde ich unsere alte Kneipe. Stratos heißt sie jetzt, nicht mehr Nepomuk. Dasselbe Gebäude, in die Jahre gekommen, genauso der Eingang. Ich gehe rein, hier ist nur noch Stratos. Es gibt Bier, aber viel zu viele Sorten. Zu Stratos-Musik. Also bestelle ich Cola Rum und ignoriere den verwunderten Blick des Wirts.
Doch dann irgendwann unsere Musik. Klammerblues. Und da kommt eine und meint, dass sie mich kennt. Ich trinke Cola Rum und Cola Rum. Und die, die mich kennt, tanzt und tanzt und tanzt. Ohne mich, aber sie schaut immer wieder rüber zu mir und sie lächelt. Wie damals.
Am nächsten Vormittag, bevor mein Zug fährt, schaue ich noch einmal auf dem Friedhof vorbei. Und finde mein Grab.
Ich bin erleichtert.
am morgen nebulöses
erinnern an blicke
von der theke und mehr
kein name dazu
kein gesicht
und jetzt
ein anruf von
unbekannt
hinausschauen
auf das stille meer
dorthin
wo es vielleicht
endet
meine hand
sucht nach deiner
Ich auf der alten Steinbrücke. Schaue hinunter, gerade noch hat sich der Mond im Fluss gespiegelt, jetzt schiebt sich eine Wolke davor.
Hinter mir Schritte, die näherkommen. Dann stillstehen.
Zigarette?
Ich greife zu, obwohl ich nicht mehr rauche. Die Flamme eines Zippo, das Inhalieren, das Ausatmen. Brennen in der Lunge, der leichte Schwindel.
Sturmfeuerzeug!
Ich ziehe noch mal, voller Erwartung, aber der Körper gewöhnt sich schnell. Gleich gibt die Wolke den Mond wieder frei. Schauen aufs Wasser. Hinter uns Mitternachtsglockenschlag der Josefskirche.
Neuer Tag.
Gesagt. Klettert aufs Geländer, mit halbvoller Zigarettenpackung und Sturmfeuerzeug. Springt.
Die letzten Zigarettenzüge enttäuschen. Kein Grund, wieder mit dem Rauchen anzufangen.
Ich schnippe die Kippe in den Fluss.
von der letná aus
dort unten die stadt und
irgendwo das schloss
Damals gab es noch diese Bahnhofrestaurants. Eingerichtet waren sie schlicht und zweckgemäß. Nicht selten roch es mehr nach Klosettstein als nach Rouladen und Schnitzel. Niemand hielt sich länger dort auf als nötig und jeder Gast fieberte der Abfahrt seines Zuges entgegen.
Hubert saß jeden Tag in einem solchen Etablissement, beobachtete die Leute und träumte davon, selbst einmal mit einem dieser vielen Koffer unterwegs zu sein, hinaus aus der Stadt und hinein in die Welt. Er gehörte beinahe zur Einrichtung, saß stets an demselben Tisch. Jeder machte einen Bogen um ihn, auch die Kellner, denn eine Bestellung war von ihm nicht zu erwarten. Und wenn mal alle Tische besetzt waren, was hier allerdings so gut wie nie vorkam, verließen die Gäste lieber die Lokalität als sich mit einem Solchen an einen Tisch zu setzen.
Doch niemand vom Personal wagte, ihn an die frische Luft zu setzen. Die Angestellten kamen und gingen, aber Hubert hatte hier schon immer gesessen.
Die Zeiten ändern sich. Das Bahnhofsrestaurant ist längst einem McDonald’s gewichen.
Den hat Hubert nicht mehr erlebt. Zu seinem Glück, denn dort hätten sie nicht so viel Geduld mit ihm gehabt.
das glas wein
genau dort am tisch
wo er immer saß
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