©Joerg Schaffelhofer, Lyrik und Prosa

Monat: Oktober 2024 (Seite 2 von 2)

Begegnung

Ich auf der alten Steinbrücke. Schaue hinunter, gerade noch hat sich der Mond im Fluss gespiegelt, jetzt schiebt sich eine Wolke davor.
Hinter mir Schritte, die näherkommen. Dann stillstehen.
Zigarette?
Ich greife zu, obwohl ich nicht mehr rauche. Die Flamme eines Zippo, das Inhalieren, das Ausatmen. Brennen in der Lunge, der leichte Schwindel.
Sturmfeuerzeug!
Ich ziehe noch mal, voller Erwartung, aber der Körper gewöhnt sich schnell. Gleich gibt die Wolke den Mond wieder frei. Schauen aufs Wasser. Hinter uns Mitternachtsglockenschlag der Josefskirche.
Neuer Tag.
Gesagt. Klettert aufs Geländer, mit halbvoller Zigarettenpackung und Sturmfeuerzeug. Springt.

Die letzten Zigarettenzüge enttäuschen. Kein Grund, wieder mit dem Rauchen anzufangen.

Ich schnippe die Kippe in den Fluss.

Hubert

Damals gab es noch diese Bahnhofrestaurants. Eingerichtet waren sie schlicht und zweckgemäß. Nicht selten roch es mehr nach Klosettstein als nach Rouladen und Schnitzel. Niemand hielt sich länger dort auf als nötig und jeder Gast fieberte der Abfahrt seines Zuges entgegen.

Hubert saß jeden Tag in einem solchen Etablissement, beobachtete die Leute und träumte davon, selbst einmal mit einem dieser vielen Koffer unterwegs zu sein, hinaus aus der Stadt und hinein in die Welt. Er gehörte beinahe zur Einrichtung, saß stets an demselben Tisch. Jeder machte einen Bogen um ihn, auch die Kellner, denn eine Bestellung war von ihm nicht zu erwarten. Und wenn mal alle Tische besetzt waren, was hier allerdings so gut wie nie vorkam, verließen die Gäste lieber die Lokalität als sich mit einem Solchen an einen Tisch zu setzen.
Doch niemand vom Personal wagte, ihn an die frische Luft zu setzen. Die Angestellten kamen und gingen, aber Hubert hatte hier schon immer gesessen.

Die Zeiten ändern sich. Das Bahnhofsrestaurant ist längst einem McDonald’s gewichen.
Den hat Hubert nicht mehr erlebt. Zu seinem Glück, denn dort hätten sie nicht so viel Geduld mit ihm gehabt.

hinterhofstory

er ruft etwas
in den hinterhof

kinder bringen
ihren lederball
in sicherheit

ein paar fenster
öffnen sich und
fremde köpfe glotzen

der kranke nachbar
im vierten stock fühlt sich
beim suizid gestört

doch die junge frau schaut wirklich
beim aufhängen der wäsche
straight hoch zu ihm

all das hat er
so nicht erwartet

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