©Joerg Schaffelhofer, Lyrik und Prosa

Autor: admin (Seite 2 von 12)

Die Stadt

Am Morgen in der Stadt. Tische und Stühle stehen beschirmt in der Sonne. Wie früher. So waren unsere Sommer.

Leute sitzen bei Kaffee, meist ältere Herren, schauen verträumt jungen Damen hinterher. Als Junge bin ich täglich hier vorbeigelaufen und wenn es warm wurde, dann saßen dort die Opas. Irgendwie ist alles immer noch so wie früher.

Wäre ich damals in der Stadt geblieben, ich würde wohl heute auch hier sitzen. Stattdessen passiere ich stumm das Café Marie. Schaue in manches Gesicht, das mich an etwas erinnert. Aber mir fehlen die Bilder dazu. Die habe ich im Lauf der vielen Jahre verloren.

Und ich gehe weiter, vorbei an diesen Tischen in der Sonne. Als Fremder. Ein wenig tut es weh.

Entsorgung

Was bleibt denn?

Ein Schlüssel auf der Kommode im Flur. Reichlich Platz an der Garderobe, viel Stille.
Aus dem Küchenschrank kommt immer noch der Duft exotischer Gewürze. Auf dem Wohnzimmertisch liegt der dicke Wälzer, den du gelesen und von dem du mir oft bis zum Morgengrauen erzählt hast. Vermutlich bist du fertig damit, denn das bunte Lesezeichen steckt nicht mehr.
Deine Toilettenartikel hast du sämtlich entsorgt.
Eigentlich bleibt nur dieses eine Foto, das neben dem Fernseher steht. Wir lachen in die Kamera War das mal und wo? Vielleicht auf Kreta.

Ich kann das alles nicht glauben. Morgen werde ich endlich deinen Wälzer und das Foto entfernen.

Dann bleibt nichts mehr. Vielleicht ab und zu ein langes, dunkles Haar von dir. In irgendeiner Ecke

anna

in unserem biergarten
ist es laut wie immer

doch annas hand liegt
länger als sonst auf meiner
der wein ist schwerer

von irgendwo musik
ganz sicher dvorak und

in annas augen
lese ich heute das
was ich nie verstand

alles
an unserem letzten sommerabend

« Ältere Beiträge Neuere Beiträge »

© 2025 Wortewelt

Theme von Anders NorénHoch ↑