abends
nach ihrem auftritt irgendwo
in einem hotel auf gran canaria
packt sie zusammen
schminkt sich ab
dann schenkt ihr
der barmann nach
still schaut sie ihn an
mit glasigen augen
und salsarhythmen vom band
begleiten sie in
ihre nacht
©Joerg Schaffelhofer, Lyrik und Prosa
abends
nach ihrem auftritt irgendwo
in einem hotel auf gran canaria
packt sie zusammen
schminkt sich ab
dann schenkt ihr
der barmann nach
still schaut sie ihn an
mit glasigen augen
und salsarhythmen vom band
begleiten sie in
ihre nacht
würdest du
hier wohnen wollen
fragst du mich
eine leichte brise
kühlt die nacht und
nicht nur der mond ist voll
fast hätte ich genickt
dann das rollen
der müllcontainer
und der kommende tag
auf unserer insel
immer noch feinster sand
die gewohnte hitze
das hotel gibt es nicht mehr
die baustelle ist
seit mehreren jahren tot
gegen meinen sonnenbrand
hilft wie früher der rioja an der bar
doch die musik ist eine andere
morgen geht’s nach hause und
wenn ich dir heute was sagen könnte
du hast nichts verpasst
nachts steht sie da
und blickt hinunter auf
den dunklen fluss
aus der ferne lautes lachen
von einem partyboot
mit musik und bunten lichtern
einen tag noch
sagt sie sich
dann kommt sie wieder
hochzeitstag und
augenblicke vom nebentisch
bitte noch rotwein
da
wo sie hinschaut
ist nichts
wie ein kleines kind
steht sie dort
schließt den mantel
wendet sich um zu mir
und geht mit
wenigen schritten
durch mich hindurch
Die Zeit ist abgelaufen, jetzt ist Schluss. finito. Sie haben mir eine Frist bis zum Ende des Tages gesetzt. Und nun höre ich durch das offene Fenster, wie die Turmuhr Mitternacht schlägt.
Es ist unerträglich heiß hier oben und von draußen kommt keine kühle Luft herein. Vielleicht geht unten auf der Straße ein erholsames Lüftchen. Aber sie haben mir ausdrücklich untersagt, die Wohnung nach Ablauf der Frist zu verlassen. Bis vor fünf Minuten hätte ich mich entscheiden können, doch erst jetzt, mit Ende des Ultimatums, kommen mir diese Gedanken.
Sie haben keinerlei Andeutungen gemacht, wie es weitergehen wird nach dieser Mitternacht. Dass sie jemanden schicken werden, davon gehe ich aus. Aber wann das sein wird, ist völlig ungewiss. Und hier sitzend, mitten in der schwülen Nacht, denke ich mir, dass die Wahrscheinlichkeit, beim Verlassen der Wohnung erwischt zu werden, vielleicht weitaus geringer ist als meine riesige Angst davor.
Sie haben Zeit bis 24 Uhr, hieß es, danach gelten verschärfte Bedingungen. Was immer das sein soll.
Sie sitzen am längeren Hebel. Das ist alles, was ich weiß. Oder vermute. Ich schwitze dazu und die Turmuhr hat ihren letzten Schlag getan. Sie wird erst um sechs Uhr in der Frühe wieder zu hören sein. Werden sie mich bis dahin abholen und woanders hinbringen? Oder verbringe ich meine Zukunft weiterhin hier? Fragen über Fragen!
Und Vermutungen! So dasitzend und nichts tuend spüre ich, dass etwas kühlere Luft hereinkommt. Erfrischt oder auch nicht gehe ich daran, meine Situation ein weiteres Mal zu durchleuchten.
Wer mir das Ultimatum gesetzt hat, weiß ich nicht und ich kenne niemanden von ihnen. Doch sind es überhaupt mehrere? Keine Ahnung! Weshalb ausgerechnet die heutige Nacht als Frist gilt, dafür habe ich keine Erklärung. Und dann, das hatte ich ja bereits erwähnt, sind etwaige Folgen bei Nichtbeachtung ihrer Vorgaben nie genannt worden. Das geht mir durch den Kopf, in der Schwüle sitzend, kühlere Luft zumindest erahnend. Ich atme durch.
steh auf, schließ das fenster, zieh die gardinen vor und verlass die wohnung. das licht im treppenhaus funktioniert nicht, also die stufen ganz vorsichtig nehmen. es wird dauern, denn es sind viele stufen.
Am Ende bleibt die Frage, wann und wie ich dieses Ultimatum überhaupt erhalten habe. Jetzt, mitten im dunklen Treppenhaus, weiß ich darauf keine Antwort.
geh, weiter.
Ich bin schon eine Weile unterwegs, da ist mir plötzlich, als kämen Geräusche von unten. Zunächst so etwas wie das Zufallen einer Tür, dann sind es Schritte. Und jetzt, ohne Zweifel, höre ich sie. Die ersten Stimmen.
kind im kinderwagen
das am linken schuh zerrt
ihn fallen lässt
ganz blass eine mutter
die ihr kind schiebt
nicht weiß
warum das blag
schon wieder schreit
im zoom die tränen
eines kindes
im abspann dann
die gedanken der mutter
im straßengraben
ein alter röhrenfernseher
ohne pan tau
In der letzten Zeit hatte er das Gefühl, dass ihm die Leute auf der Straße auswichen. Seit einigen Tagen schon, es war ihm zunächst gar nicht bewusst gewesen. Er lief durch die Geschäftsstraßen, als plötzlich ein entgegenkommender älterer Herr die Straßenseite wechselte. Zunächst dachte er sich nichts dabei, doch bei diesem einen an sich harmlosen Ereignis blieb es nicht. Minuten später war es eine junge Frau, die vor ihm einen Haken schlug und auf die andere Seite eilte. Was ist denn heute mit den Leuten los, wunderte er sich.
Als sich am nächsten Tag das Gleiche immer weiter häufte, begann er die Sache ernster zu nehmen. Das konnte doch kein Zufall sein. Er begann, die fliehenden Passanten zu beobachten und stellte mit Erstaunen fest, dass all diese Leute, gerade noch fast panisch vor ihm geflohen, auf der anderen Seite in aller Seelenruhe ihren Weg fortsetzten, als wäre nichts geschehen. Sie würdigten ihn nicht einmal mehr eines Blickes.
Dann allerdings, wenige Tage später, spitzte sich die Lage weiter zu. Niemand benutzte mehr seine Seite, so als wäre sie gesperrt oder gar nicht vorhanden. Das wurde ihm zu bunt und er trat ebenfalls auf die andere Seite. Prompt ging ihm der ganze entgegenkommende Menschenstrom wiederum aus dem Weg.
Jetzt, da ihm das alles doch zu merkwürdig vorkam, blieb er stehen und aus Verzweiflung oder Eingebung wandte er sich um. Nicht zu glauben, was er sah: Hinter ihm standen viele, zahllose Menschen, verharrten hinter ihm.
Er ahnte, worauf sie warteten, drehte sich um und wandte ihnen wieder den Rücken zu. Lief einige Meter, blieb stehen und blickte zurück. All die Passanten waren ihm gefolgt, und warteten jetzt wieder, wie erstarrt. Er schaute sie an, behielt sie im Blick, während er nun ein paar Schritte rückwärts lief, auf sie zu. Sie wichen vor ihm zurück, jedoch ohne vor ihm auf die andere Straßenseite zu flüchten. Das gefiel ihm, gab ihm Sicherheit.
Einen Moment atmete er durch, dann spazierte er los, ohne Ziel, aber glücklich durch die Stadt. Entspannt, als wäre nun alles wieder in der schönsten Ordnung. Bald vergaß er dabei sogar die vielen Menschen, die ihm wohl immer noch folgten.
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